VERKEHRSWENDE: WAS KÖNNEN DIE VERSCHIEDENEN ANTRIEBSTECHNOLOGIEN?

Datum des Artikels 12.09.2019

E-Auto, Wasserstoff oder doch der Verbrennungsmotor? Die Suche nach der Antriebstechnologie der Zukunft läuft auf Hochtouren. Im Silicon Valley, in Wolfsburg und in Batteriezellfabriken im asiatischen Raum arbeiten intelligente Köpfe an der Quadratur des Kreises: Wie kommen wir mit eigenem Auto von A nach B, ohne die Umwelt zu schädigen?


 

 

Die deutsche Automobilindustrie ist unter Druck. Immer weniger junge Menschen machen einen Führerschein. In den Großstädten und Ballungszentren drängen mehr und mehr Carsharing-Anbieter auf den Markt und machen private Pkw unnötig. Eine Studie des ADAC kam zu dem Ergebnis, dass ein Carsharing-Fahrzeug mindestens drei Pkw ersetzen kann. Der Carsharing-Bundesverband BCS rechnet für die Zukunft sogar mit bis zu 20 zu ersetzenden Autos. Ein Pkw in Privatbesitz steht im Schnitt 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. In dieser Zeit blockiert er Parkplätze in Städten, in denen Platz ohnehin knapper wird. Zwar stieg die Zahl der neu zugelassenen Autos in den letzten Jahren an. Aber die deutsche Automobilindustrie muss trotzdem davon ausgehen, dass der Bedarf an Autos, zumindest in Deutschland, eher abnimmt als steigt.

Daneben gibt es weitere Herausforderungen für die deutsche Autoindustrie. Sie wird nicht darum herumkommen, umweltfreundlichere Autos zu bauen. Dazu muss sie auch auf neue Antriebstechnologien setzen. Aber das wird schwer, denn die Stärke der deutschen Autobauer ist immer noch der Verbrennungsmotor. Der stößt aber zu viel CO2 aus. Den Autobauern werden von der EU strikte Vorgaben gemacht. Die gesamte Autoflotte eines Herstellers darf ab 2021 nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Ab 2030 sind es dann nur noch rund 60 Gramm. Momentan liegt der Durchschnitt bei 130 Gramm. Da die gesamte Flotte gemessen wird, dürfen einzelne Modelle über dem Wert liegen, so lange genug andere darunter liegen. Die Bundesregierung hatte für höhere Grenzwerte gekämpft, in Brüssel jedoch den Kürzeren gezogen. Allein mit Diesel, Benzin und dem Verbrennungsmotor werden diese Werte nicht einzuhalten sein. Ein Benziner dürfe dann nur noch zwei bis drei Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen, um die von der EU vorgegebenen Grenzwerte einzuhalten. Physikalisch ist es kaum möglich, Fahrzeuge zu bauen, deren Verbrauch im regulären Betrieb deutlich unter sechs Litern liegt. Die Hersteller müssen also andere Antriebstechniken in ihre Flotten aufnehmen. Zur Auswahl stehen: das E-Auto, das Wasserstoffauto und synthetische Kraftstoffe. Letztere sind Kraftstoffe, die nicht auf fossilen Rohstoffen basieren.

Grenzwerte statt Wettbewerb

Was wie ein spannender Wettbewerb um die beste Technologie klingt, ist aus Sicht der deutschen Autoindustrie bereits entschieden. VW, Audi, BMW und Mercedes setzen auf das E-Auto. Das hat nicht unbedingt mit einer etwaigen technischen Überlegenheit des E-Autos zu tun. Es liegt vor allem an der Art, wie in der EU der CO2-Ausstoß der Autoflotten gemessen wird: „Tank to Wheel“. Der Ausdruckt meint letztendlich, dass gemessen wird, was aus dem Auspuff kommt. Die vorgelagerte Wertschöpfungskette zahlt nicht auf das CO2-Konto ein. Da ist es nur logisch, dass das E-Auto die besten Werte aufweist. Während der Fahrt stößt es keine klimaschädlichen Emissionen aus. Synthetische Kraftstoffe tun das schon, wenn auch in geringerem Maß als Benzin und Diesel. Würde in den CO2-Wert der Autoflotten auch der Ausstoß eingerechnet, der in der Herstellung anfällt, sähe es für das E-Auto schlechter aus.

Das Wasserstoffauto hingegen wäre dem E-Auto in Bezug auf die Emissionen ebenbürtig. Außerdem ist die Reichweite eines Wasserstoffautos mit der Reichweite eines Verbrennungsmotors vergleichbar. Genau genommen ist das Wasserstoffauto ein alter Hut. Bereits 1807 baute der Franzose Issac de Rivaz das erste Wasserstofffahrzeug. Und 2006 vertrieb Mazda als erster Autohersteller ein Fahrzeug mit Wasserstoffverbrennungsmotor. Aber durchsetzen konnte sich das Wasserstoffauto nie. Hinter dem Scheitern steckt auch ein Henne-Ei-Problem: Es gibt so gut wie keine Tankstellen, weswegen kaum jemand die Autos kauft. Und weil die Autos nicht gekauft werden, baut kaum jemand Tankstellen. Stand Juni 2019 sind in Deutschland 386 Wasserstoffautos zugelassen – bei 74 Tankstellen. Demgegenüber stehen mehr als 83.000 E-Autos. 2018 waren es noch rund 53.000.

Kraftstoffe ohne Erdöl

Eine weitere Antriebstechnologie, die dem E-Auto ebenbürtig sein kann, sind synthetische Kraftstoffe. Diese werden meist aus Biomasse gewonnen. Gegenüber dem E-Auto haben die synthetischen Kraftstoffe einige Vorteile. Für sie muss keine Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Der Kraftstoff kann wie früher an der Tankstelle getankt werden. Außerdem verfügen sie über eine deutlich höhere Reichweite als Elektroautos. Da die Kraftstoffe zudem aus nachwachsenden Pflanzen gewonnen werden, geben diese bei der Verbrennung nur das zuvor aufgenommene CO2 wieder ab. Allerdings würden zur Gewinnung der Rohstoffe riesige Anbauflächen benötigt, auf denen auch Nahrungsmittel angebaut werden können. Als alleinige Antriebstechnologie der Zukunft scheiden die aus Biomasse gewonnenen Kraftstoffe damit aus.


Eine Unterart der synthetischen Kraftstoffe sind „E-Fuels“. Diese werden mit Strom ausWasser und Kohlendioxid hergestellt. Dieser Prozess wird „Power-to-Fuel“ genannt. Ein großer Vorteil ist, dass auch dieser Kraftstoff mit heutigen Verbrennungsmotoren genutzt werden kann. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte Christoph Ploß ist deswegen ein Anhänger der Technologie. „Wir haben bereits das Tankstellennetz und die notwendige Logistik. Außerdem sehe ich darin eine große Chance für die deutschen Mittelständler und Autobauer“, sagte Ploß dem Mittelstandsmagazin. Weltweit gebe es noch keine Massenproduktion von E-Fuels. Diese Lücke könne Deutschland mit seiner Ingenieurskunst schließen. „Die E-Fuels haben allerdings einen großen Nachteil“, schränkt Ploß ein. Ihre Herstellung sei sehr energieintensiv. Er regt deswegen an, dass Deutschland mit sonnen- und windreichen Regionen, etwa in Nordafrika oder dem arabischen Raum, kooperieren müsse, um die Kraftstoffe herzustellen. Für E-Fuels spreche aber noch ein weiterer Punkt. „Es wird in den nächsten Jahrzehnten kein E-Flugzeug geben. Der einzige Weg zum CO2-neutralen Fliegen sind die E-Fuels. Anders werden wir in der Luft- und Schifffahrt unsere Klimaziele nicht erreichen“, ist sich Ploß sicher. Die große Herausforderung sei deswegen die industrielle Großproduktion der E-Fuels.

Erneuerbarer Strom macht E-Autos umweltfreundlicher

Christoph Ploß ist sich deswegen in einer Sache sicher: Die europäischen Autobauer können momentan eigentlich nur auf E-Autos setzen, da die EU nur das misst, was aus dem Auspuff kommt. Und da sind E-Autos unschlagbar. Würde allerdings der gesamte Herstellungsprozess, von der Wiege bis zur Bahre, eingerechnet werden, sähe es für das E-Auto schlechter aus. Eine Studie des ifo-Instituts kam zu dem Ergebnis, dass E-Autos einen höheren CO2-Ausstoß haben als Diesel. Da der Strom, der die E-Autos antreibt, in Deutschland immer noch häufig aus Kohle gewonnen wird, belastet das die CO2-Bilanz des E-Autos. Allerdings wird das momentan eben nicht in den Flottenausstoß mit eingerechnet. An der ifo-Studie gab es allerdings auch Kritik. Den Verfassern wurde vorgeworfen, das E-Auto absichtlich schlecht zu rechnen. Es ist schwer, seriös zu messen, ab wie viel gefahrenen Kilometern ein E-Auto umweltfreundlicher ist als ein Diesel. Und Lobbygruppen auf beiden Seiten sind stets bemüht, Studien vorzustellen, die ihr jeweiliges Produkt im besten Licht darstellen. Als sicher gilt: ab 150.000 gefahrenen Kilometern ist die CO2-Bilanz von E-Autos in jedem Fall, auch beim momentanen deutschen Strommix, besser als die von Dieseln und Benzinern. Und sowohl das E-Auto als auch die E-Fuels werden umweltfreundlicher, je mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Momentan sind das rund 37 Prozent des deutschen Stroms. Je weiter dieser Anteil steigt, desto besser wird auch die CO2-Bilanz von E-Autos.

Die eine Antriebstechnologie, die alle anderen aussticht, wird es wohl nicht geben. Um die Klimaziele und die Vorgaben der EU beim Flottenausstoß einzuhalten, braucht es einen Mix. Momentan kann hier mit Elektromobilität am meisten erreicht werden. Das liegt aber vor allem daran, dass die EU nur den Ausstoß der Fahrzeuge misst, nicht aber die vorgelagerte Wertschöpfungskette. Das kann nur gelöst werden, wenn die EU ihre CO2-Regulierung reformiert. Christoph Ploß spricht sich dafür aus: „E-Fuels müssen auf europäischer Ebene angerechnet werden. In dem Moment werden sie auch für die Autoindustrie interessant, weil sie so ihren CO2-Flottenwert senken können.“ Und auch das Wasserstoffauto sollte nicht völlig vergessen werden. Zwar ist es sehr aufwendig, Wasserstoff transportfähig zu machen. Er muss dazu entweder stark komprimiert oder stark abgekühlt werden. Beides kostet sehr viel Energie und kommt deswegen für private PKW nicht in Frage. Für Lkw und Spediteure könnte es aber durchaus eine Option sein. Das macht aber nur mit regenerativ hergestelltem Wasserstoff Sinn. Auch dazu bräuchte es eine entsprechende Infrastruktur. Für Nutzfahrzeuge würden aber etwa 100 Tankstellen ausreichen, um eine sinnvolle Abdeckung zu erzielen.

Die Mobilität der Zukunft

In einem sind sich die meisten Experten einig: Die wohl größte Rolle für die Zukunft der Mobilität werden unabhängig von der Antriebstechnologie Carsharing-Plattformen spielen. Der Zukunftsforscher Daniel Dettling ist sich sicher, dass der Individualverkehr seine beste Zukunft noch vor sich hat Er sagt: „Mobilitätsentwicklungen und Trends gehen immer vom Individuum aus.“ Deswegen sei auch das Fliegen so beliebt. „Es wird eben geflogen, weil es schnell und billig ist. Die Bahn hingegen ist teuer und bietet zu wenig Qualität.“ Die große Frage sei deswegen, wie dieser Wunsch nach Freiheit mit den neuen Anforderungen – dem Klimawandel aber auch der Sicherheit im Straßenverkehr – vereinbart werden kann. Letztendlich geht es um eine Mobilität nach Lust und Laune, ohne dass jeder ein eigenes Auto besitzt. „Der öffentliche Personennahverkehr muss zu einem individuellen öffentlichen Nahverkehr werden. Wien macht das schon heute mit einem All-in-one-Mobilitätsabo“, sagt Dettling. Die Wiener können ein Abo abschließen, mit dem sie Zugang zu allen Formen der Mobilität erhalten. Das Herzstück dieses Konzeptes ist die intelligente Verbindung der individuellen und öffentlichen Mobilität. Dieses Konzept ist nach Einschätzung Dettlings nicht nur für Großstädte und Ballungszentren geeignet. Auch der ländliche Raum profitiert von Mobilitätsknotenpunkten, nur wird die Entwicklung dorthin etwas länger dauern. Aber spätestens wenn sich das autonome Fahren durchsetzt, werde auch hier das private Auto immer unwichtiger.

Dettling glaubt ebenso wenig an die eine Technologie, die alle Probleme löst. „Norwegen ist beispielsweise Vorreiter, wenn es um E-Autos geht. Der Trend hat aber zu mehr Pkw in privater Hand geführt. Die Innenstädte dort sind heute verstopfter als vor dem E-Auto-Boom“, sagt Dettling. „Beim E-Roller dachte man auch, dass er den Mobilitätsmix ergänzt und die Leute weniger Auto fahren.“ Das Resultat seien aber vor allem Touristen, die mit den Rollern die Gehwege blockierten. „Solche Maßnahmen wirken nur, wenn sie in ein Gesamtkonzept eingebunden sind.“


E-Autobatterien und die Folgen für die Umwelt

Während die Europäische Union voll auf Elektromobilität setzt, zweifeln Experten immer wieder an der Umweltfreundlichkeit von E-Autos. Die Herstellung der Batterien ist ressourcen- und energieintensiv.

Über die CO2-Bilanz von E-Autos wird viel gestritten. Kürzlich veröffentlichte dasIfo-Institut eine Studie. Die Autoren um den Ökonomen und früheren Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn kamen zu dem Ergebnis, dass das E-Auto das Klima um bis zu 28 Prozent mehr belaste als ein Dieselauto. Das Ergebnis kam überraschend, denn eigentlich gelten E-Autos als weniger klimaschädlich. Wie kam das Ifo-Institut zu seinen Ergebnissen? Die Wissenschaftler bezogen neben den Emissionen, die beim Betrieb des E-Autos ausgestoßen werden, auch die Emissionen der Batterieund Stromherstellung in ihre Messungen ein. Daran entzündete sich Kritik. Die Studie rechne das E-Auto absichtlich schlecht, so der Vorwurf.


Tatsächlich schleppt jedes E-Auto, wenn es aus dem Werk kommt, einen größeren CO2-Rucksack mit sich herum als ein Verbrenner. Das liegt vor allem an der Herstellung der Batterien. Für die Batterien von E-Autos werden Lithium-Ionen-Akkus benötigt. Lithium wird beispielsweise bei der Herstellung von Smartphones benötigt. Die Nachfrage nach Lithium ist in den letzten 15 Jahren rasant gestiegen. Lag der Preis 2004 für eine Tonne Lithium noch bei rund 1.500 US-Dollar, stieg er bis 2018 auf 16.500 US-Dollar. „Die größten Lithium-Vorkommen gibt es in Australien und in den südamerikanischen Anden. Dort entsprechen die Arbeitsbedingungen den internationalen Standards“, erklärt Reinhard Stuth. Der Fachsprecher für Energie, Umwelt und Klimaschutz der MIT Hamburg berät beruflich unter anderem Bergbau-Unternehmen in Südamerika.

An der Grenze zwischen Chile, Bolivien und Argentinien liegt das sogenannte Lithiumdreieck. Dort sollen bis zu 70 Prozent der weltweiten Vorkommen liegen. „Die Umweltbedingungen beim Abbau von Lithium sind in Südamerika allerdings teilweise kritisch“, so Stuth. Die Maschinen würden den Untergrund teilweise durchpflügen. Dabei würden die natürlichen Barrieren zwischen Salz- und Süßwasser zerstört und das Trinkwasser kontaminiert. Allerdings achteten die deutschen Autohersteller zunehmend auf die Einhaltung hoher Sozial- und Umweltstandards, so Stuth. Die Bedingungen bei der Förderung von Öl seien deutlich schlechter.

Die Mischung macht´s

Ein weiteres Problem: Die Herstellung der Batterien benötigt viel Strom. Momentan sitzen die meisten Batteriefabriken im asiatischen Raum. Dort wird Strom zum großen Teil noch aus Kohle und Erdöl gewonnen, was viel CO2 freisetzt. Stuth setzt deswegen große Hoffnungen in neue Batteriefabriken auf europäischem Boden. Dort ist der Anteil an erneuerbaren Energien am Strommix höher. Der Autohersteller Tesla betreibt seine Akku-Fabrik selbst. Der Strom kommt nach Angaben des Unternehmens aus erneuerbaren Energien. Nachprüfen lässt sich das nicht. Da Tesla mit seiner Tochter Solar City allerdings auch das zweitgrößte Photovoltaikunternehmen der USA besitzt, dürfte der Energiemix für die Teslabatterien tatsächlich umweltfreundlicher als im asiatischen Raum sein.

Die schlechte Klimabilanz der Akkus dürfte künftig auch durch mehr Recycling besser werden. Das Ifo-Institut rechnet in seiner Studie damit, dass die Akkus nach 150.000 Kilometern auf dem Müll landen. Allerdings sind die Akkus nicht nutzlos, nur weil sie zu schwach geworden sind, ein E-Auto zu betreiben. Volkswagen möchte alte Akkus als mobile Ladesäule nutzen, Mercedes-Benz als Energiespeicher. Außerdem schreibt die EU schon heute vor, dass 50 Prozent des Lithiums recycelt werden müssen. Volkswagen hat sich sogar eine Quote von 97 Prozent zum Ziel gesetzt.

Micha Knodt

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 4-2019